The Fourth Elegy

by Rainer Maria Rilke (1875-1926), from Duino Elegies (1923)
translated by Howard A. Landman


O Bäume Lebens, o wann winterlich?
Wir sind nicht einig. Sind nicht wie die Zug-
vögel verständigt. Überholt und spät,
so drängen wir uns plötzlich Winden auf
und fallen ein auf teilnahmslosen Teich.
Blühn und verdorrn ist uns zugleich bewußt.
Und irgendwo gehn Löwen noch und wissen,
solang sie herrlich sind, von keiner Ohnmacht.

Uns aber, wo wir Eines meinen, ganz,
ist schon des andern Aufwand fühlbar. Feindschaft
ist uns das Nächste. Treten Liebende
nicht immerfort an Ränder, eins im andern,
die sich versprachen Weite, Jagd und Heimat.
Da wird für eines Augenblickes Zeichnung
ein Grund von Gegenteil bereitet, mühsam,
daß wir sie sähen; denn man ist sehr deutlich
mit uns. Wir kennen den Kontur
des Fühlens nicht: nur, was ihn formt von außen.
Wer saß nicht bang vor seines Herzens Vorhang?
Der schlug sich auf: die Szenerie war Abschied.
Leicht zu verstehen. Der bekannte Garten,
und schwankte leise: dann erst kam der Tänzer.
Nicht der. Genug! Und wenn er auch so leicht tut,
er ist verkleidet und er wird ein Bürger
und geht durch seine Küche in die Wohnung.
Ich will nicht diese halbgefüllten Masken,
lieber die Puppe. Die ist voll. Ich will
den Balg aushalten und den Draht und ihr
Gesicht aus Aussehn. Hier. Ich bin davor.
Wenn auch die Lampen ausgehn, wenn mir auch
gesagt wird: Nichts mehr —, wenn auch von der Bühne
das Leere herkommt mit dem grauen Luftzug,
wenn auch von meinen stillen Vorfahrn keiner
mehr mit mir dasitzt, keine Frau, sogar
der Knabe nicht mehr mit dem braunen Schielaug:
Ich bleibe dennoch. Es giebt immer Zuschaun.

Hab ich nicht recht? Du, der um mich so bitter
das Leben schmeckte, meines kostend, Vater,
den ersten trüben Aufguß meines Müssens,
da ich heranwuchs, immer wieder kostend
und, mit dem Nachgeschmack so fremder Zukunft
beschäftigt, prüftest mein beschlagnes Aufschaun, —
der du, mein Vater, seit du tot bist, oft
in meiner Hoffnung, innen in mir, Angst hast,
und Gleichmut, wie ihn Tote haben, Reiche
von Gleichmut, aufgiebst für mein bißchen Schicksal,
hab ich nicht recht? Und ihr, hab ich nicht recht,
die ihr mich liebtet für den kleinen Anfang
Liebe zu euch, von dem ich immer abkam,
weil mir der Raum in eurem Angesicht,
da ich ihn liebte, überging in Weltraum,
in dem ihr nicht mehr wart …: wenn mir zumut ist,
zu warten vor der Puppenbühne, nein,
so völlig hinzuschaun, daß, um mein Schauen
am Ende aufzuwiegen, dort als Spieler
ein Engel hinmuß, der die Bälge hochreißt.
Engel und Puppe: dann ist endlich Schauspiel.
Dann kommt zusammen, was wir immerfort
entzwein, indem wir da sind. Dann entsteht
aus unsern Jahreszeiten erst der Umkreis
des ganzen Wandelns. Über uns hinüber
spielt dann der Engel. Sieh, die Sterbenden,
sollten sie nicht vermuten, wie voll Vorwand
das alles ist, was wir hier leisten. Alles
ist nicht es selbst. O Stunden in der Kindheit,
da hinter den Figuren mehr als nur
Vergangnes war und vor uns nicht die Zukunft.
Wir wuchsen freilich und wir drängten manchmal,
bald groß zu werden, denen halb zulieb,
die andres nicht mehr hatten, als das Großsein.
Und waren doch, in unserem Alleingehn,
mit Dauerndem vergnügt und standen da
im Zwischenraume zwischen Welt und Spielzeug,
an einer Stelle, die seit Anbeginn
gegründet war für einen reinen Vorgang.

Wer zeigt ein Kind, so wie es steht? Wer stellt
es ins Gestirn und giebt das Maß des Abstands
ihm in die Hand? Wer macht den Kindertod
aus grauem Brot, das hart wird, — oder läßt
ihn drin im runden Mund, so wie den Gröps
von einem schönen Apfel? … Mörder sind
leicht einzusehen. Aber dies: den Tod,
den ganzen Tod, noch vor dem Leben so
sanft zu enthalten und nicht bös zu sein,
ist unbeschreiblich.

Oh trees of life, oh when wintry?
We are not in unison. Are not in formation like
migratory birds. Fallen behind and late,
so we force ourselves suddenly on winds
and fall into an unsympathetic pond.
We are simultaneously aware of blooming and withering.
And somewhere lions still prowl and don't know,
as long as they are magnificent, of any frailty.

But for us, where we intend one thing, entirely,
Some other effort is already perceptible. Hostility
is the closest to us. Don't lovers always
step on each other's boundaries,
to whom they promised vastness, hunting and home.
There, in a momentary sketch
grounds for opposition are prepared, arduously,
that we see them; for they are very candid
with us. We do not know the contour
of feelings: only what forms them from outside.
Who did not sit anxiously before his heart's curtain?
It whipped open: the scenery was farewell.
Easy to understand. The familiar garden,
and soft swaying: only then came the dancer.
Not that one. Enough! And even though he moves so easily,
he is costumed, and he becomes a normal citizen
and enters through the kitchen when he returns home.
I don't want those half-filled masks,
I'd rather have a puppet. It's full. I will
endure the manikin and the wire and its
facade of a face. Here. I am in front of it.
Even if the lamps go out, even if
I am told: Nothing more -, even when the emptiness
comes from the stage with the gray breeze,
even when no one from my silent ancestors
sits there with me, no woman, not even
the boy with the brown squint-eye:
I remain nevertheless. There are always spectators.

Am I not right? You, for whom life around me
tasted so bitter, father, after you sampled mine,
the first murky infusion of my imperatives,
as I grew up, tasting it again and again
and, preoccupied with the aftertaste of so strange
a future, inspected my misty admiration, -
you, my father, who ever since you died, often
were afraid of my innermost hopes,
and indifference, as the dead have, a treasure
of indifference, for my smidgen of fate,
am I not right? And you, am I not right,
who loved me for the infancy of my
love for you, from which I always strayed,
because the space in your face..,
when I loved you, passed into world-space,
in which you were no more...: when I feel compelled
to wait in front of the puppet stage, no,
to look so absolutely that, in order to balance
my looking finally, there as an actor
an angel has to go, who raises the manikins.
Angel and puppet: then there is finally acting.
Then comes together what we constantly
divide, just by being there. Only then
from our seasons arises the whole cycle
of change. Over and above us
then the angel plays. Look, shouldn't the dying
suspect how full of pretense everything is
that we accomplish here. Everything
is not itself. Oh hours in childhood,
when behind the characters there was more than
the past and before us not the future.
We grew of course and sometimes we pushed,
to grow up sooner, half for the fondness
of those who had nothing more than being big.
And yet were, in our solitude,
amused by permanence and standing there
in the space between world and toys,
in a place that from the very start
was founded for a pure process.

Who shows a child how things stand? Who positions
him in the stars and puts the measure of distance
into his hand? Who makes the child's death
from gray bread, which becomes hard, - or leaves
it in his round mouth, like the prickly core
from a nice apple? ... Murderers are
easy to understand. But this: death,
the totality of death, even before life so
gently to embrace and not to be evil,
is indescribable.

Copyright ©2021 Howard A. Landman

Sonnets To Orpheus I, 26

Du aber, Göttlicher, du, bis zuletzt noch Ertöner,
da ihn der Schwarm der verschmähten Mänaden befiel,
hast ihr Gescrei übertönt mit Ordnung, du Schöner,
aus den Zerstörenden stieg dein erbauendes Spiel.

Keine war da, daß sie Haupt dir und Leier zerstör',
wie sie auch rangen und rasten; und alle die scharfen
Steine, die sie nach deinem Herzen warfen,
wurden zu Sanftem an dir und begabt mit Gehör.

Schließlich zerschlugen sie dich, von der Rache gehetzt,
während dein Klang noch in Löwen und Felsen verweilte
und in den Bäumen und Vögeln. Dort singst du noch jetzt.

O du verlorener Gott! Du unendliche Spur!
Nur weil dich reißend zuletzt die Feindschaft verteilte,
sind wir die Hörenden jetzt und ein Mund der Natur.

But you, divine, to the last resonating
when swarms of scorned maenads were bent on your murder,
you drowned out their shouting with beautiful order,
from out the destroyers rose uplifting playing.

No one there damaged your head or your lyre,
however they rushed you or rested apart;
and all the sharp rocks they threw at your heart
grew soft when they touched you and able to hear.

In the end they dismembered you, driven by vengeance,
but your sound yet lingered in cliffs and lions,
in forests and birds. Even now you still sing there.

Oh desolate god! You unending trail out!
Only since blind hatred strew you about
are we now hearers and a mouth for nature.

Copyright ©1998,2021 Howard A. Landman